Demokratie braucht Frauen: Gemeinsam gegen Online-Hass
20. März 2025

Politisches Engagement erfordert Mut. Doch für viele Frauen in der Politik bedeutet es auch, tagtäglich massiven Anfeindungen ausgesetzt zu sein. Beleidigungen, sexualisierte Gewaltandrohungen und Hasskampagnen sind zur traurigen Normalität geworden. Besonders im digitalen Raum eskaliert der Hass: Politikerinnen werden gezielt angegriffen, verunglimpft und mundtot gemacht. Dies gefährdet nicht nur ihre persönliche Sicherheit, sondern auch die demokratische Teilhabe und Vielfalt in der Politik.
Die Zunahme von Hass im Netz
Die Studie "Angegriffen & alleingelassen" der Technischen Universität München in Kooperation mit HateAid belegt die alarmierende Zunahme digitaler Gewalt gegen politisch Engagierte. Mehr als die Hälfte der Befragten berichtete von Anfeindungen im Netz. Doch Frauen trifft es besonders hart: 63 % der politisch engagierten Frauen waren betroffen, während es bei den Männern 53 % waren. Noch gravierender ist die Form der Anfeindungen: Fast 70 % der betroffenen Frauen berichteten von misogynen Kommentaren und sexistischen Beleidigungen. Ein Viertel erhielt sogar Drohungen mit sexualisierter Gewalt.
Diese Attacken sind kein zufälliges Phänomen, sondern Ausdruck tief verwurzelter patriarchaler Strukturen. Frauen in der Politik werden nicht nur für ihre Positionen attackiert, sondern vor allem für ihr Geschlecht. Die Botschaft ist klar: Frauen sollen abgeschreckt und aus dem politischen Raum verdrängt werden.
Von Online-Hass zu realer Gefahr
Digitale Gewalt bleibt nicht im Internet. Die Studie zeigt, dass Betroffene von Online-Hass häufiger auch physische Gewalt erleben. So berichteten 32 % der betroffenen Frauen von realen Übergriffen. Politikerinnen wie Catherine McKenna oder Ricarda Lang sind prominente Beispiele für Frauen, die nicht nur online attackiert wurden, sondern deren Sicherheit auch im realen Leben bedroht wurde. Diese Eskalation zeigt, dass digitale Gewalt kein harmloses Ventil für Frustration ist, sondern ein echtes Sicherheitsproblem darstellt.
Gesellschaftliche Wahrnehmung: Ein Problem der Normalisierung
Erschreckend ist, dass Hass gegen Politikerinnen in weiten Teilen der Gesellschaft als akzeptabel angesehen wird. Eine Umfrage von HateAid ergab, dass 34 % der Befragten Verständnis für Online-Anfeindungen gegen Politikerinnen haben. Noch schlimmer: 43 % meinen, dass Hass einfach "zum Job dazugehört". Diese Haltung zeigt, wie tief die Normalisierung von Hass und Sexismus verankert ist. Während viele Menschen sich Respekt im Netz wünschen, wird Frauen dieser Respekt häufig nicht zugestanden.
Die Folgen für die Demokratie
Die Konsequenzen sind fatal. Frauen ziehen sich vermehrt aus der Politik zurück oder verzichten gänzlich darauf, ein Amt anzustreben. Fast die Hälfte der befragten Frauen denkt zumindest manchmal darüber nach, sich aufgrund der Anfeindungen aus der Politik zurückzuziehen. 22 % haben diesen Schritt bereits ernsthaft erwogen. Dieser "chilling effect" führt zu einer Verzerrung der politischen Landschaft, in der Frauenstimmen zunehmend fehlen.
Doch eine Demokratie, die es nicht schafft, Frauen vor Hass und Gewalt zu schützen, ist keine vollständige Demokratie. Wenn Frauen aus Angst vor Anfeindungen ihre politische Arbeit aufgeben, verlieren wir nicht nur einzelne Stimmen, sondern ganze Perspektiven und Anliegen, die in politischen Debatten fehlen.
Was muss geschehen?
Um digitale Gewalt gegen Politikerinnen einzudämmen, braucht es entschlossene Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen:
Parteien müssen Verantwortung übernehmen: Dazu gehört die Einrichtung parteiinterner Anlaufstellen, die als erste Ansprechpunkte für von Hass betroffene Mitglieder dienen und konkrete Hilfe leisten. Ergänzend sind Schulungen zu Krisenkommunikation und Schutzmechanismen essenziell, um Politikerinnen auf Anfeindungen vorzubereiten und ihnen Werkzeuge an die Hand zu geben, um sich effektiv zu schützen. Ebenso wichtig ist eine Kultur der aktiven Solidarität: Parteien und ihre Mitglieder sollten sich klar und öffentlich hinter betroffene Kolleginnen stellen, Angriffe nicht schweigend hinnehmen und gemeinsam gegen digitale Gewalt eintreten.
Strafverfolgung und Gesetzgebung: Es braucht vereinfachte Möglichkeiten zur Identifikation von Verantwortlichen, etwa durch klarere gesetzliche Regelungen und effizientere Meldewege. Gleichzeitig müssen Strafverfolgungsbehörden besser ausgestattet werden – sowohl personell als auch technisch –, damit sie Hasskriminalität im Netz gezielt und zügig verfolgen können. Nur durch eine entschlossene rechtliche Verfolgung kann ein deutliches Signal gesetzt werden: Digitale Gewalt bleibt nicht folgenlos.
Plattformen in die Pflicht nehmen: Die konsequente Durchsetzung des EU-Digitalgesetzes (Digital Services Act) ist ein wichtiger Schritt, um Transparenz und Rechenschaftspflicht großer Plattformbetreiber zu erhöhen. Darüber hinaus müssen Algorithmen so angepasst werden, dass sie nicht länger polarisierende und hasserfüllte Inhalte verstärken, sondern stattdessen demokratische Debatten fördern. Gleichzeitig braucht es eine striktere Moderation von Hasskommentaren und Drohungen, damit betroffene Politikerinnen nicht schutzlos der Flut an Anfeindungen ausgeliefert sind. Plattformen dürfen keine Räume sein, in denen Gewalt und Hetze ungehindert gedeihen.
Gesellschaftliche Sensibilisierung: Nur wenn sich mehr Menschen der Auswirkungen von Online-Hass bewusst werden, kann ein gesellschaftliches Umdenken stattfinden. Gleichzeitig braucht es eine gezielte Stärkung feministischer und zivilgesellschaftlicher Initiativen, die sich für den Schutz und die Unterstützung betroffener Frauen einsetzen. Dabei muss klar vermittelt werden: Hass ist kein legitimes Mittel der politischen Auseinandersetzung. Eine demokratische Gesellschaft darf es nicht hinnehmen, dass Frauen aus Angst vor Anfeindungen verstummen oder sich aus der Politik zurückziehen.
Ein Kampf für Demokratie und Gleichberechtigung
Die Bekämpfung digitaler Gewalt gegen Politikerinnen ist keine Nebensache, sondern eine zentrale demokratische Aufgabe. Wenn wir nicht handeln, werden Frauen weiter aus der Politik verdrängt, und unsere Demokratie wird ärmer und undemokratischer.
Quellen:
https://hateaid.org/hass-hetze-politisch-engagierte-safe-to-engage/
https://www.br.de/nachrichten/bayern/hass-gegen-politiker-im-netz-tut-manchmal-sehr-sehr-weh,U6JuvAd